LICHTFEST LEIPZIG 2019
Die Friedliche Revolution und ihr Einfluss auf Gegenwart und Zukunft – das gemeinsam mit der Stadt und den Mitteln der Kunst zu beforschen stand im Mittelpunkt unseres Konzepts, das auf Partizipation aufgebaut war. Gemeinsam mit Aktivist:innen, Expert:innen, Künstler:innen aus Musik, Literatur, Schauspiel, bildender Kunst und der breiten Bevölkerung erarbeiteten wir über viele Monate in unserem öffentlichen Lichtstudio im Museum der bildenden Künst Leipzig ein neues Stadtportrait aufbauend auf zeitgeschichtlichen Bezügen. So wurde das Lichtfest Leipzig 2019 zu einem kollektiven Gesamtkunstwerk, gewidmet der Zivilcourage einzelner und der Solidarität vieler, einst und jetzt.
Falk Elstermann, Geschäftsführer der Kulturstiftung Leipzig
Herzlichen Glückwunsch zu eurer
– seit Monaten im Verborgenen bzw. sehr individuellen
– seit Wochen nun im Leipziger öffentlichen Raum sichtbaren
– und am 9. Oktober mit der assoziativen Erweiterung des Innenstadtrings gekrönten Arbeit.
Das war eine Herkulesaufgabe, die ihr in meinen Augen gleichermaßen erfreulich wie erstaunlich mit stets lebendiger und ansteckender Fröhlichkeit und Herzlichkeit bewältigt habt. Chapeau!
Angela Krauß, Schriftstellerin, 10. Oktober 2019
“Das Lichtfest 2019 hatte ja besonderen Bedingungen standzuhalten: Die Ereignisse in Halle, der Regen … Doch welch ein Wunder: die Menschen, die um mich standen, durch die ich ging oder mit denen ich ging, sie schienen sich davon nicht abhalten zu lassen. Sie waren gekommen, um sich zu besinnen. Das habe ich wieder überall wahrgenommen. Ich habe um mich eine ruhige, freundliche, zugewandte Stimmung gespürt. Was mir auffiel, viele waren allein unterwegs, was mir ein Zeichen ist für das, was erwartet wird: etwas, das sich an jeden einzelnen richtet, ein Angebot zur leisen Zwiesprache vielleicht. Allein diese Erwartung zeigt, daß das Lichtfest noch immer Sinn hat. Und daß es dieser Erwartung entsprechen soll. Genau das ist gelungen!
Während ich um den Ring lief und zunächst die einzelnen Lichtskulpturen sah und für sich betrachtete – was übrigens viele Menschen so machten, mit großen Augen, sehr konzentriert – wurde mir allmählich und dann plötzlich (in Höhe der Runden Ecke) das Ganze klar ! Was es als Ganzes sein will, wie es gedacht ist, was die Künstlerin von Anfang an vor Augen gehabt haben muß. Es wurde offenbar, als sich nach der Straßenbiegung die Perspektive weit öffnete, mit den lebenden dunkelgoldenen Säulen der Hochschule als Portal weiter in die Straße hinein in Richtung Thomaskirche. Die Stadt als ein Raum, ein Gebäude, ein Haus, in dem wir alle miteinander wohnen. Die beleuchteten Bauten gleichsam die Möblierung. Das ist die Imagination, die ihr uns nahelegt: das ist unsere prächtige Stadt, hier wohnen wir, das sind wir. Und während ich ging, hatte ich plötzlich die Vorstellung, ich liefe nochmal inmitten des Menschenstroms vor 30 Jahren und dieses Licht flankierte uns – wie ein festliches Echo aus der Zukunft auf unseren Mut, unsere Kraft von damals.
Danke für Euer Werk, Victoria und Žiga, danke Euch für die Verwandlung unserer Stadt an diesem 9. Oktober in etwas, das ihr gut steht: etwas Surreales aus Erinnerung, Traum, Vision …”
Die Montagsdemonstrationen des Herbst ’89 an vielen Orten der damaligen DDR kulminierten in Leipzig am 9. Oktober. An diesem “Tag der Entscheidung” begann die gewaltfreie Absetzung des totalitären DDR-Regimes. Das ist die historische Basis für das jährliche feierliche Gedenken an diese Zeit der Umbrüche. Unser Konzept für das Lichtfest Leipzig 2019 basierte auf dem Grundgedanken von Partizipation. Aus diesem erwuchsen drei Schlüsselelemente: das Lichtstudio Mai bis August, die sukzessiven Eröffnungen der ersten sechs Lichträume ab 4. September im Stadtraum entlang der Strecke der “Montagsdemonstrationen” und der Lichtring am 9. Oktober, dem Tag der Entscheidung.
Das Konzept, 2018 von Victoria Coeln entwickelt, wurde im Februar 2019 mit den Leitgedanken des Kuratoriums “Friediche Revolution 1989” akkordiert. Die große Zustimmung des Kuratoriums bei der Präsentation Anfang März 2019 markierte den Beginn eines mehrmonatigen, partizipativen Prozesses mit vielen Künstler:innen, freien Gruppen, Bürgerinitiativen und Institutionen aus Leipzig, Erfurt und Halle. In großartiger Zusammenarbeit entstand ein Gesamtkunstwerk aus 30 Stadtbildern in Dialog mit Soundcollagen, die speziell für diesen Anlaß unter der Leitung von Simone Weißenfels in der Nikolaikirche aufgenommen und aufbereitet wurden.
Unser Dank gilt allen, die uns dazu ermutigten, uns vertrauten, sich beteiligten und unterstützten, allen voran Pfarrer Bernhard Stief St. Nikolai, Gesine Oltmanns Stiftung Friedliche Revolution und Marit Schulz LTM (Veranstalterin des Lichtfest Leipzig 2019). Danke auch an die Förderer und Partner:innen, der Stadtbeleuchtung Leipzig sowie den Leipziger Verkehrsbetrieben, der Stadt Wien/WIEN LEUCHTET, den Seefestspielen Mörbisch, an die Initiativgruppe und die Kulturstiftung Leipzig.
Es war und ist uns ein persönliches Anliegen, den Mut zur Zivilcourage und damit auch den Mut zur Raumaneignung und Selbstermächtigung mit den Mitteln der Kunst zu stärken. In diesem Sinne ist es uns mehr als wichtig, offene Räume zu schaffen – offen für alle Menschen und frei von a priori festgelegten Deutungen. Jede und jeder sollte ihren bzw. seinen Raum (er)finden können – nicht das, was man glaubt, sehen und entdecken oder verstehen zu müssen. So können sich Wahrnehmungen, Erinnerungen und visionäre Ideen ergänzen und vielleicht sogar widersprechen – oder gänzlich Neues finden und erfinden – im Maßstab der Kunst wird das niemals falsch sein.
Viel Freude beim Entdecken der Erinnerung, neuer Zugänge und Bilder!
Victoria Coeln, Žiga Jereb, Karoline Mueller-Stahl, Heike Sütter
im Namen des Atelier Victoria Coeln